Fr 23Sep2016

SCARABEUSDREAM

Acht Jahre sind seit Scarabeusdreams Debüt Sample Your Heartbeat to Stay Alive vergangen – eine derartige Pause kann sich eine Band nur leisten, wenn sie unverwechselbar und konkurrenzlos ist. Wer je eines ihrer Nach-uns-die-Sintflut-Konzerte erlebt hat, weiß, dass Scarabeusdream eine solche Band ist. Was Hannes Moser und Bernd Supper aus der schmalen Besetzung Schlagzeug, Klavier und hysterische Vocals extrahieren sind Rituale aus musikalischem und unmusikalischem Lärm, aus Körperlichkeit und schwarzem Theater, aus Free Rock und Kammer-Zeuhl, aus übersteigerter Seelenschau und hinterhältigen Attacken, die sich nachhaltig in die Herzen ihrer Hörer tätowieren. Titel und Thema dieses zweiten Albums ist nun das Schweigen. Nicht das kontemplative Silentium sondern tacet tacet tacet, also: er/sie/es schweigt. Das klingt nach Wahn und Egomanie, nach einem, der die Stimmen in seinem Kopf nicht beruhigen kann, nach Edgar Allen Poes Tell-tale Heart. Die Band zum Titel: „Schweigen ist ein aktiver Akt, nicht wie die Ruhe, sie ist defensiv und von Natur aus vorhanden. Schweigen ist brutal. Wo man schweigt, ist es gefährlich. Wo man schweigt verschweigt man auch.“ Tacet tacet tacet könnte man auch als Scarabeusdreams Pop-Album betrachten. Mit Vorsicht freilich, doch wenn man es in den musikalischen Mitteln auch schwer dingfest machen kann, gibt es auf diesem Album Passagen von allesumarmender Disco-Euphorie und ekstatische Gefühlsverwirrungen von blitzender Präzision. Überhaupt ist das Album von einer emotionalen Wahrhaftigkeit, wie man sie in gängigeren Songwriter-Sparten, die doch dafür zuständig zu sein scheinen, lange suchen muss. Dazu atemberaubende Atmosphärenwechsel zwischen filmmusikalischer Opulenz und der Enge unserer geheimsten Herzkammer. Kurz: Tacet tacet tacet hat alles, was große Musik, ach was, was große Kunst ausmacht.

FUCKED UP ELECTRONIC MADNESS

Eines Nachts ereilte dem musikalischen Allroundgenie Konstantin Weiß die Nachricht, dass das Lustvolk nach ihm giere. Ohne zu zögern griff er seine Gitarre und machte sich auf den Weg zu dem einzigen Menschen, der unerschrocken genug war, sich dieser Exzessmeute entgegenzustellen – dem Meisterdilettanten Johannes Kern. Zusammen konnten sie den Rhythmusvandalen Markus „Mäx“ Macher überzeugen, sie auf ihrer Reise zu begleiten. Komponiert und geprobt wurde auf Bahnsteigen, in U-Bahnwaggons, düsteren Straßenecken und Waldlichtungen. Kurz gesagt auf dem Weg zur Bühne. Mit dem Aufflackern der Scheinwerfer leuchtete in neonfarbenen Lettern der sich selbst erklärende Name „Fucked up Electronic Madness“ über Band und Publikum auf. Nach diesem grandiosen, aber unterbeschallten Auftritt tauschten sie das Cajón gegen ein Schlagzeug ein und auch die Gitarren mussten sich nicht mehr mit dem Gesang um einen Audioeingang streiten. Seitdem stehen „Fucked up Electronic Madness“ für eine kompromisslose, Spandex und Stadionrock liebende urbane Bohème, gepaart mit dem ästhetischen Empfinden einer Provinzpunkband. Die Frage nach Revolution stellt sich erst gar nicht, hier wird ihre Hinfälligkeit abgefeiert.

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