Do 08Mrz2018

VIZEDIKTATOR

Magie, Exzess, Verzweiflung

Eine wirklich aufregende Band erkennt man daran, dass sie immer auch eine Gang ist. Dass sie eine verdammte Ansage darstellt, die die Kraft hat, einen aus der Bahn zu werfen. Für einen Song, ein Konzert - oder auch für empfindlich länger.

Willkommen bei Vizediktator aus Berlin.

Geht es um love, wird er gern mal angeführt: Dieser Moment, in dem es „klick“ macht. Verlieben innerhalb von Sekunden? Das ist doch bloß konstruierter RomCom-Kitsch - oder stellt irgendwas total gruselig Bedürftiges dar. Nein, vergesst es.
Bei der Musik hingegen sehe ich das anders. Da ist es mir wirklich schon mal passiert. Kein Scheiß jetzt. Eine Mail Ende letzten Jahres: „Hier, hör‘ da doch mal rein.“ Der Link führt zu „Stadt aus Gold“, die Band dazu Vizediktator. Nie vorher begegnet, was soll das denn schon wieder sein? Im Anschreiben geht es zudem darum, ob meine Musikplattform eine Videoclip-Premiere dazu machen könne. Ehrlich gesagt bin ich immer schon beim Wort „Videoclip-Premiere“ innerlich tot. Kein Bock auf Musikbusiness.

Dennoch pflichtschuldiges Aufrufen, Gedanken bereits beim Ausgang. Und dann das... Im Nachhinein schwierig zu sagen, war es beim zweiten Mal Refrain oder wenn die Stimme in der Strophe so angekratzt klingt und immer kurz vorm Kippen scheint? Eine Melodie, ein schwarzweißes Monster von Videoclip inklusive nackter Arsch des Drummers, ein Hit, ein Wahnsinn alles. Puls steigt. „Okay, das sind also Vizediktator“, denke ich. Es macht... klick.

Die Band ist dabei gar keine Gang – zumindest nicht im herkömmlichen Sinne. Los ging es sogar bloß zu zweit. Da ist man ja eh eher die Pet Shop Boys denn eine Gang. Das Ganze besitzt anfänglich mehr Projektcharakter und gibt Benni H. und Hannes G. die Möglichkeit, in Kneipen aufzutreten - als Folkpunk-Duo. Ihr brandgefährlicher Safe Space ist dabei ein Künstlerkollektiv, das eine Fabriketage in der Stromstraße bespielt, Berlin Moabit. Sänger und Bassist Benni studiert zu der Zeit Bilderhauerei, experimentelle Malerei, Hannes geht es kaum anders. Dieser Kunst-Link ist wichtig, sollte aber auf keine falsche Fährte führen. Denn es geht um Punk, ums Ausprobieren von Möglichkeiten, ums Demolieren von den ganzen schwachen Ideen um einen herum. Worum es dagegen weniger geht: Galerien, Prosecco oder Sigmar Polkes Meisterklasse. JA OK, vielleicht mal ein Glas oder drei Flaschen Prosecco, aber nur wenn das Bier alle ist.

Zusammen mit Marco D. und Max G. wird man also eine richtige Band, die bis heute Bestand hat, auf der Bühne so allerdings nicht zu sehen ist. Hannes ist wichtiger Teil von Vizediktator, ist unter anderem Songschreiber, doch ein Hörsturz haut ihn aus dem Live-Geschäft raus. Dass er trotzdem nicht abdanken will oder gar muss, beweist, dass der Mythos der Jungs-Gang auf der Bühne nur solange in Stein gemeißelt ist, solange keiner mit dem Hammer kommt. Denn es geht eben alles auch immer anders – wenn man bloß will.

Leave no man behind.

Dass mehr möglich ist als einem auch das Genre Punk oft spiegelt, wird jetzt besonders bei dem Debüt-Album von Vizediktator deutlich. Die persönlichen Storys von Straße und Fabriketage, die noch die ersten Stücke bis zur ersten EP prägten, haben nun Tonfall und ihren Blickwinkel verstärkt aufs Politische gerichtet. Raus aus der eigenen Blase, hinein in die Welt bis tief ins Meer. Man ist sofort fasziniert von diesen Songs, die mehr als nur sich selbst beschreiben wollen. Die Welt, die sie sehen, ist ätzend, aber gerade deshalb ist es die Verantwortung eines jeden, genau hinzuschauen.

So verhallt die Sprachgewalt ihrer Texte nicht als bloßes Wortgeklingel oder gar als Diener stumpfer Parolen. Auf dieser Platte wird wirklich das eingelöst, was man bei vielen Acts schmerzlich vermisst: Haltung, die von der eigenen ästhetischen Idee noch befeuert wird. „Wobei es mir wichtig ist, in den Texten immer auch Brüche zuzulassen.“ sagt Benni. Genau, auch Schwäche spielt eine wichtige Rolle. Sonst verkörpert man bloß irgendwelche hermetischen Aussagen, die keinen Spielraum bieten. Doch das Gegenteil ist hier der Fall. Musik zwischen Magie, Exzess und Verzweiflung. Man will nicht aufhören, diesen Typen zuzuhören. Warum sollte man auch?

Ein trockener Bass, ein Beat wie ein unruhiges Herz, eine Gitarre kurz vor der Explosion. „Ich greif nach deiner Hand / wir stürmen zusammen gegen die Wand“. Der Song dazu heißt „Halleluja“.

Es macht schon wieder... klick.

Text: Linus Volkmann

 

 

DREAM OWNER

Dream Owner ist eine Alternative-Rockband aus Hinterbrühl, die schon seit über zwei Jahren gemeinsam Musik macht. Sie sind experimentierfreudig, was das Songwriting angeht und legen nebenbei auch großen Wert auf ihre Texte und die Interaktion mit ihrem Publikum. Ihre Musik soll Emotionen wecken und das Publikum mitreißen. Im Mai kam ihre erste EP "//Y//M" (Two Years Two Months) heraus und sie arbeiten seitdem schon an neuem Material.

 

 

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